In Second Life tanzen Avatare auf virtuellen Bühnen, bauen Häuser, führen Beziehungen – und manchmal fliehen sie. Nicht vor Monstern oder Spielmechaniken, sondern vor anderen Menschen. Cyberstalking ist längst kein Randphänomen mehr, sondern eine stille Epidemie in digitalen Räumen. Besonders betroffen: soziale Plattformen wie Second Life, wo Nähe und Anonymität sich gegenseitig auf die Füße treten.

Was ist Cyberstalking – und wie zeigt es sich in Second Life?

Cyberstalking bedeutet: jemand verfolgt dich digital, und zwar nicht, weil du besonders spannende Schuhe trägst. In Second Life nimmt das oft subtile, aber tiefgreifende Formen an:
  • Virtuelle Verfolgung: Der Stalker taucht immer wieder in denselben Regionen auf – wie ein schlecht programmierter NPC mit Obsession.
  • Account-Hopping: Nach einer Blockierung erscheint dieselbe Person unter neuem Namen – mit denselben Sprüchen, nur in anderer Schriftart.
  • Manipulative Geschenke: Kleine Geldbeträge (Linden Dollars), Objekte oder Nachrichten, die Aufmerksamkeit erzwingen sollen. Wer sagt schon nein zu einem virtuellen Teddybären mit passiv-aggressiver Botschaft?
  • Psychologische Kontrolle: Drohungen, emotionale Erpressung, Gerüchte in Gruppen – digitaler Psychoterror mit Avatarlächeln.

Was das besonders perfide macht: Die Plattform bietet nur begrenzte Schutzmechanismen. Und viele Betroffene zögern, das Erlebte ernst zu nehmen – weil es „nur virtuell“ ist. Spoiler: Das macht es nicht weniger real.

Warum trifft es gerade Second Life?

Second Life ist keine klassische Gaming-Plattform. Es ist ein soziales Netzwerk mit 3D-Interface, ein Ort für Kreativität, Beziehungen und Identitätsentwürfe. Und genau das macht es anfällig:
  • Emotionale Bindung: Beziehungen in SL sind oft intensiver als manche Tinder-Dates.
  • Anonymität & Identitätswechsel: Neue Accounts sind schneller erstellt als ein neuer Kaffee.
  • Fehlende Moderation: Kein Sheriff in Sicht – Abuse Reports sind oft die einzige Option.
  • Technische Limitierungen: Blockieren hilft – aber nur bis zur nächsten Alt-Account-Invasion.

Was sagt das Gesetz?

In Deutschland fällt Cyberstalking unter §238 StGB („Nachstellung“). Auch wenn die Tat in einer virtuellen Welt geschieht, kann sie strafbar sein – vorausgesetzt, sie beeinträchtigt das Leben des Opfers nachweislich. Dazu zählen psychische Belastung, sozialer Rückzug oder das Gefühl, dass selbst der eigene Avatar nicht mehr sicher ist.

Linden Lab, der Betreiber von Second Life, verweist auf internationale Gesetze und bietet ein Abuse-Reporting-System. Doch die Durchsetzung ist schwierig: Die Plattform agiert global, und viele Täter bleiben anonym – wie Schatten mit WLAN.

Was können Betroffene tun?

Es gibt Wege, sich zu schützen – auch wenn sie nicht immer bequem sind:

  • Abuse Report einreichen: Mit Screenshots, Chatlogs, Zeitangaben und Region. Je mehr Beweise, desto besser – CSI: Second Life.
  • Mute & Block nutzen: Auch Gruppen, Freunde und alternative Accounts überprüfen. Manchmal ist der „neue Freund“ nur der alte Stalker mit Hut.
  • Regionen sichern: Sicherheits-Orbs, Zugangsbeschränkungen, Whitelists – digitale Türsteher sind Gold wert.
  • Nicht reagieren: Aufmerksamkeit ist wie Energie für Trolle. Entzug wirkt.
  • Netzwerke nutzen: Austausch mit anderen Betroffenen – denn geteiltes Leid ist halber Lag.
  • Identitätswechsel: Ein neuer Avatar kann helfen – aber Vorsicht: Stalker erkennen Muster schneller als du dein neues Outfit findest.

Stimmen aus der Community

„Ich dachte, ich sei sicher. Aber er wusste immer, wo ich war. Ich habe mich nicht mehr getraut, online zu gehen.“
– Nutzerin, anonym

„Second Life war mein Rückzugsort. Jetzt ist es ein Ort der Angst.“
– Erfahrungsbericht aus einem SL-Forum

Diese Stimmen zeigen: Cyberstalking ist keine Bagatelle. Es ist digitalisierte Gewalt – und sie trifft Menschen dort, wo sie sich am verletzlichsten zeigen. Auch wenn der Avatar cool aussieht, dahinter steckt ein echter Mensch.

Und wie können wir helfen?

Emotionale Unterstützung: Präsenz zeigen

  • Glauben schenken: Auch wenn’s „nur online“ ist – virtuelle Gewalt ist real.
  • Zuhören ohne Urteil: Kein „Stell dich nicht so an“, sondern ein „Erzähl mir mehr“.
  • Regelmäßiger Kontakt: Sei präsent – durch Nachrichten, gemeinsame Aktivitäten oder einfach durch ein „Ich bin da“-Emoji.

Praktische Hilfe: Schutz gemeinsam organisieren

  • Stalker ebenfalls blockieren: Solidarität heißt auch: digitale Türen gemeinsam schließen.
  • Abuse Reports gemeinsam einreichen: Mehr Augen, mehr Screenshots, mehr Wirkung.
  • Land sichern: Sicherheits-Orbs sind die Alarmanlagen des Metaverse.
  • Gruppen säubern: Manchmal ist der Alt-Account näher als gedacht.

Strategische Unterstützung: Mitdenken & mitplanen

  • Identitätswechsel begleiten: Neuer Avatar, neues Glück – aber bitte diskret.
  • Verhaltensmuster erkennen: Außenstehende sehen oft mehr.
  • Sicherheitswissen teilen: Chatlogs speichern, Abuse Reports ausfüllen, Landrechte verwalten – Wissen ist Macht.

Haltung zeigen: Solidarität ist Schutz

  • Öffentlich Position beziehen: Sprich über das Thema – das enttabuisiert.
  • Grenzen setzen: Wer Stalking verharmlost, bekommt ein digitales „Nein danke“.
  • Gemeinsam stark sein: Cyberstalker agieren isolierend. Eine solidarische Gruppe nimmt ihnen die Macht – und den Spaß.

Fazit: Zwischen Freiheit und Verantwortung
Second Life verspricht grenzenlose Freiheit. Doch mit dieser Freiheit kommt Verantwortung – für Plattformbetreiber, für Nutzer*innen, für uns alle. Cyberstalking ist kein Randphänomen, sondern ein strukturelles Problem digitaler Räume. Es braucht mehr Aufklärung, bessere Schutzmechanismen und vor allem: die Anerkennung, dass virtuelle Gewalt genauso weh tun kann wie echte.
Und manchmal sogar mehr – weil sie leise ist.